Kinderschutz Basics II

Kindeswohlgefährdung

Wie das Kindeswohl ist auch der Begriff „Kindeswohlgefährdung“ ein unbestimmter Rechtsbegriff – er gilt also als nicht klar definiert.

Der Bundesgerichtshof versteht unter dem Begriff der Kindeswohlgefährdung „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“.

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Die Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt oder nicht, muss in jedem Fall individuell getroffen werden. Professionelle Fachkräfte aus Justiz und Jugendhilfe werden dabei mit komplexen Sachverhalten und schweren fachlichen Entscheidungen konfrontiert. Es wird zwischen dem gesicherten Kindeswohl, einer Beeinträchtigung des Kindeswohls und der akuten Kindeswohlgefährdung unterschieden.

Welche Erscheinungsformen von Kindeswohlgefährdung gibt es?

Vernachlässigung meint eine wiederholte oder dauerhafte Unterlassung fürsorglichen Handelns, der Eltern oder andere autorisierte Betreuungspersonen. Die für die Sorge des Kindes verantwortlichen Personen besitzen keine Kenntnis darüber oder sind unfähig, die körperlichen, seelischen, geistigen und materiellen Grundbedürfnisse eines Kindes zu befriedigen.

 

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  • Körperliche Vernachlässigung (z.B.: Mangel an Nahrung und Flüssigkeit, mangelnde, altersunangemessene, witterungsunangemessene Kleidung, mangelhafte Hygiene, mangelhafte medizinische Versorgung, unzureichende Wohnverhältnisse, …)
  • Erzieherische Vernachlässigung: (z.B. fehlende Kommunikation, fehlende Anregung zu Spiel und Leistung, …)
  • Emotionale Vernachlässigung: (z.B. Mangel an Wärme, Nähe, Wertschätzung, …)
  • Unzureichende Aufsicht: (z.B.  Alleinlassen von Kindern innerhalb und außerhalb des Wohnraums, …)

Körperliche Gewalt lässt sich je nach Schweregrad der gewalttätigen Handlung in zwei Kategorien unterteilen:

  • Als Erziehungsgewalt werden leichte Formen der physischen und psychischen Gewalt bezeichnet. Sie sind erzieherisch motiviert und haben keine körperliche Schädigung oder Verletzung des betroffenen Mädchens oder Jungen zum Ziel. Kindern steht das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung zu – dennoch werden gewaltvolle Praktiken wie der Klaps auf den Hintern noch immer in vielen Teilen der Bevölkerung toleriert oder gar als notwendig empfunden.
  • Kindesmisshandlungen meint hingegen Gewalt, bei der entweder mit Absicht physische Verletzungen und Schädigungen herbeigeführt werden oder jene Folgen bewusst in Kauf genommen werden.

Unter sexualisierter Gewalt werden sexuelle Handlungen von Erwachsenen oder Jugendlichen verstanden, die an einem Kind oder in Anwesenheit eines Kindes getätigt werden. Die Täter*innen nutzen die kindliche Unterlegenheit, ihre Machtposition, sowie die Liebe, Scham und Abhängigkeit ihrer Opfer aus und gehen dabei manipulativ und strategisch vor.

  • Hands-on: Sexuelle Handlungen mit Körperkontakt (z.B. körperliche Belästigung, Küssen, Vergewaltigung)
  • Hands-off: Sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt (z.B. Exhibitionismus, Voyeurismus, verbale Belästigung)

Bei emotionaler bzw. psychischer Gewalt kommt es zu elterlichen Äußerungen und Handlungen, die das Kind herabsetzen, entwürdigen, ihm das Gefühl umfassender Ablehnung und eigener Wertlosigkeit vermitteln oder es isolieren.

  • Kritik
  • Einschüchterung
  • Isolation
  • Schuldzuweisung
  • Überbehütung

Häusliche Gewalt bzw. Partnerschaftsgewalt beschreibt Gewalthandlungen (psychische, physische, sexualisierte Gewalt) zwischen Erwachsenen, die zusammen in einem Haushalt leben, miteinander verwandt sind und / oder in einer partnerschaftlichen Beziehung leben. Die Kinder werden durch die gewaltgeladene Atmosphäre und das Miterleben gewaltvoller Handlungen auf vielfältige Weise in Mitleidenschaft gezogen.

Risiko- und Schutzfaktoren
Unter Risikofaktoren werden Merkmale, Umstände oder Erlebnisse verstanden, welche das Auftreten von Problemen innerhalb der Entwicklung wahrscheinlicher machen.

Schutzfaktoren hingegen sind personale und soziale Ressourcen, die negative Folgen im Zuge auftretender Probleme innerhalb der Entwicklung (Risikofaktoren) ausgleichen oder verhindern können.

Folgen / Symptome
Die wenigsten Folgen lassen einen eindeutigen Rückschluss auf die Form der Kindeswohlgefährdung zu. Vielmehr können sie mehrheitlich als Folgeerscheinung sämtlicher Beeinträchtigungen auftreten. Betroffene Kinder und Jugendliche gehen höchst individuell mit gefährdenden Umständen um, weshalb immer der Einzelfall zu betrachten ist.

Quellen:
https://www.kinderschutz-in-nrw.de/fachinformationen/kindeswohl-und-kindeswohlgefaehrdung/
Ruland; Seidenstücker; Singer-Jähn (2021): Vorlagenmappe Kindeswohlgefährdung. Merching: Forum Verlag Herkert.
https://www.bjr.de/index.php?id=373

25.01.2022